Zoom hat’s vergeigt. Warum Digitale Ethik wichtig ist!

 

Braucht es noch einen Beweis, warum digitale Ethik wichtig ist?

Stellen Sie sich folgende Situation vor. Die Welt wird gerade in ihren Grundfesten durch die COVID-19 Pandemie erschüttert. Weltweit erkranken Millionen Menschen, Tausende sterben und die Regierungen erlassen mehr oder weniger drakonische Massnahmen. Die Wirtschaft wird auf 10% heruntergefahren, vielerorts gilt eine Ausgangssperre oder mindestens ein Lock-down von mehreren Wochen. Die Menschen werden angewiesen zu Hause zu bleiben und die meisten Firmen stellen, wenn immer möglich, auf Homeoffice um. Wer bis jetzt die Digitalisierung verdrängt hat, kommt nun nicht mehr drum rum.

Ihr Unternehmen bietet eine Lösung für Onlinemeetings über Video mit bis zu 1000 aktiven Teilnehmern. Und sie funktioniert hervorragend! Sie sind bereit und die Nachfrage explodiert praktisch über Nacht von 10 Millionen auf über 200 Millionen monatliche Nutzer. Sie bieten exakt, was jetzt so dringend gebraucht wird und können nachhaltig zum ganz grossen Gewinner der grössten Gesundheitskrise seit der Spanischen Grippe im Jahr 1918 werden.

Genau in dieser Situation fand sich das US-Unternehmen Zoom Video Communications (www.zoom.us) mit Sitz in San Jose (Kalifornien) im Frühling 2020 wieder. Es bietet eine cloudbasierte Video Collaboration Plattform an, die Videokonferenzen, Online-Besprechungen, Chats und mobile Zusammenarbeit vereint. Gegründet wurde Zoom Video Communications im Jahr 2011 durch Eric Yuan.

 

Was ist passiert?

Es war alles bereit für die grosse Party! Doch dann, Sie ahnen es. Immer wenn jemand oder etwas in die Öffentliche Wahrnehmung drängt, sind die kritischen Stimmen nicht weit. Und das ist, wie dieser Fall leider zeigt, nicht nur schlecht.
Kaum war die Party am Steigen, kamen stückchenweise Hiobsbotschaften an die Öffentlichkeit, eine nach der anderen. Nachfolgende einige, nicht abschliessende Beispiele:

Der Reputationsschaden ist Tatsache. Und er ist gewaltig. CEO Eric Yuan sah sich gezwungen, sich öffentlich zu entschuldigen und Besserung zu geloben. Tatsächlich wurden auch einige Kritikpunkte rasch behoben. Für andere braucht es mehr Zeit.

 

Die Frage ist, wie hätte sich dies verhindern lassen?

Mit Bewusstsein und Sensibilität für die Wichtigkeit der digitalen Ethik. Die ethischen Fragestellungen im Umgang mit Daten und Tools sind wichtig und werden immer wichtiger. Der Datenschutz ist damit nur ein Aspekt. Dieser ist und wird mittlerweile immer mehr gesetzlich geregelt und somit vorgegeben. Der Spielraum hier ist gering. Was ist aber mit grundsätzlich erlaubten Funktionen? Funktionen deren Auswirkungen für den Benutzer nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind? Dabei geht es um eine Werthaltung und um Vertrauen. Darum ist digitale Ethik so wichtig. Auch im digitalen Raum erwarten Internetbenutzer einen sorgfältigen und vertrauensvollen Umgang mit ihren Daten.

 

Ethik Kodex

Insbesondere IT-Unternehmen sollten für sich einen ethischen Kodex definieren, fest in der Unternehmens-DNA verankern und öffentlich machen. Dieser Kodex enthält die Werte, Grundsätze, Regeln und Richtlinien wofür die Unternehmung einsteht und bietet damit ihren Mitarbeitern und Kunden in ihrer täglichen Arbeit eine Hilfestellung.
Gerade für Software-Entwicklungsprojekte wäre die regelmässige Überprüfung der Funktionen anhand des Kodex Pflicht. In der täglichen Projektarbeit sind die technischen und organisatorischen Fragen näher und drängender. Unter Zeitdruck gehen Fragen nach Ethik und Moral schnell unter.

Ich plädiere dafür, dass Ethik in jeder Projekt Phase (Anforderung & Planung, Design, Entwicklung & Testing, Implementierung & Betrieb) ihren festen Platz erhält. Dies ist unabhängig vom gewählten Model (Bsp. Wasserfall; V-Modell, Spiralmodell, Scrum, etc.) möglich. Ziel dabei muss sein, benutzerfreundliche Lösungen zu entwickeln, die den Datenschutz einhalten und den eigenen ethischen Standards entsprechen.

 

Praktische Umsetzung

Ein praktikables Mittel ist meines Erachtens die Integration in das kontinuierliche Risikomanagement. Dies sollte in einem Projekt sowieso standardmässig durchgeführt werden und somit würde diesbezüglich ein vernachlässigbarer Aufwand entstehen. Erarbeiten Sie sich dazu einen Fragekatalog mit einem breiten und langfristigen Fokus, der speziell auch die Aussensicht auf Ihr Unternehmen berücksichtigt.

Mögliche Ansätze:

  • Stellen sie den Menschen ins Zentrum (Bsp. für wen wollen sie welches Problem lösen)
  • Stellen sie immer Abgrenzungsfragen (Bsp. Was wollen sie erreichen und was nicht)
  • Seien Sie transparent (Bsp. machen sie öffentlich was nicht unbedingtes Geschäftsgeheimnis ist)
  • Überprüfen Sie die Aussensicht (Bsp. wie würde die Gesellschaft auf eine Funktion reagieren)

Auch die Installation eines Ethikboards oder die Einführung oder Erweiterung eines Quality Gates für alle Projekte in Ihrem Unternehmen sind gute und praktikable Möglichkeiten. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter auf den Kodex und die damit verbundenen Risiken. Es wird sich langfristig auszahlen.

Zoom hätte sich mit Sicherheit einiges an Ärger ersparen können, hätten sie sich zur digitalen Ethik mehr Gedanken gemacht. Sie wären als die grossen Gewinner aus der Corona-Krise hervorgegangen und hätten den neuen Standard setzen können. Ob das nun noch gelingt, wird die Zeit zeigen.